Erst 1887, 19 Jahre nach der Einweihung, erhielt die Kirche eine Orgel mit 12 Registern. Sie ist eine Stiftung von Jakob Meier von Kilchberg und als op. 131 erbaut von Carl G. Weigle, Orgelbaumeister aus Basel. Von diesem Meister sind in der Schweiz nur wenige Orgeln bekannt. Ein weiteres, nicht so authentisch erhaltenes Werk befindet sich in der Martinskirche in Basel, die heute als Konzertsaal verwendet wird. 1888 hat Weigle die Silbermann-Orgel im Dom zu Arlesheim romantisiert. Er muss, aus der Funktionstüchtigkeit seiner Instrumente zu schliessen, ein sehr sorgfältiger Handwerker gewesen sein.
Das von ihm erbaute Werk in Kilchberg ist authentisch erhalten und hat allen Reformbestrebungen standgehalten, offensichtlich auch aufgrund der umsichtigen Haltung der jeweiligen Organisten. Diese älteste vollständig erhaltene Orgel des Kantons wurde anlässlich der Kirchenrestaurierung 1974/75 zusammen mit dem Raum unter Denkmalschutz gestellt.
Das rein mechanische Kegelladensystem nach Bauart Weigle ist trotz seiner direkten Mechanik leicht spielbar und klimatisch ausgesprochen stabil. Die Anlage ist einfach: Drei Werke auf drei Windladen, ein Balg mit zusätzlicher Schöpfvorrichtung und ein nach vorn gerichteter Spieltisch an der Emporenbrüstung.
Die Orgel mit ihren lediglich 12 Registern entspricht in der Disposition der deutschen Spätromantik und verrät trotz ihrer Kleinheit schon bemerkenswerte symphonisch-orchestrale Eigenschaften. Vor allem der 8′-Bereich ist stark besetzt und erlaubt viele Klangnuancen und charakteristische satte Farben. Eine gewisse Ungenauigkeit der Traktur bei Kegelladen, die nie alle Register einer Taste gleichzeitig ansprechen lässt, wird heute als stilentsprechend bei diesen Orgeln geschätzt und normal empfunden, ähnlich dem symphonischen Klang im grossen Orchester, wo der Einschwingvorgang der einzelnen Instrumente ebenfalls unterschiedlich ist. Wie die alten Schleifladen-Orgeln haben auch diese Instrumente ein typisches Traktur-Geräusch, das man je nach Einstellung als Mangel, als nostalgisch oder als zum Stil gehörend betrachten kann.
Franz Lüthi, St.Gallen
Nach über 45jähriger Verschollenheit durfte ich anfangs 2021 die Geschenk-Plakette wieder bei unserer Weigle-Orgel (Baujahr 1887) montieren.
Hörbeispiele
Rudolf Scheidegger, Das Orgelportrait (1996)
Daniel Scheidegger, Etwas andere Orgelmusik (2004)
Das Orgelteam der Kirche Kilchberg BL, (2008)
LITERATUR
Das Orgelporträt. Rudolf Scheidegger an der Weigle-Orgel (1887) von St. Martin in Kilchberg BL. Werke von Gustav Merkel, Th. Kirchner, Adolph Hesse, Joh. Brahms und Jos. Rheinberger. Textbeilagen von Rudolf Fünfschilling und Raymond Petzold. CD 1996 TSZ 96165 (D. Scheidegger).